Ganz zum Schluss, als alle Stufen durchlaufen sind (die Business-Case-Diskussion, die Partnerinterviews, der psychologische Test etc.) und der Vertrag auf dem Tisch liegt, ruft der Kandidat/die Kandidatin an und sagt gegenüber dem Headhunter genervt, gegenüber dem Kunden unter einem Vorwand ab.
Absagen von Kandidat/inn/en in jeder Phase des Akquisitionsprozesses sind normal. Sie sagen nach der Erstansprache ab oder reagieren erst gar nicht. Hauptsächliche Gründe: Zufriedenheit mit der Aufgabe und dem Arbeitgeber, Ausschluss von bestimmten Wohn- und Arbeitsorten, Erwartung einer Beförderung oder die gegenwärtige Lebenssituation.
Aufwändiger werden Absagen, je weiter der Bewerbungsprozess vorangeschritten ist. Dabei ist die Wortwahl ‚Bewerbungsprozess‘ oft irreführend. Insbesondere im Bereich der Ansprache von seltenen Talenten, bspw. in den Bereichen ESG, KI, komplexe Transformationen oder Post-Merger Integration, bewirbt sich oft mehr der zukünftige Arbeitgeber als der Kandidat/die Kandidatin.
Je kurzfristiger eine Absage vor dem angestrebten Vertragsabschluss kommt, desto teurer wird es: Headhunting-Firmen haben in dem Bereich spezieller Talente bereits eine aufwändige Suche betrieben, Kandidat/inn/en haben nicht selten einen mehrstufigen Auswahlprozess durchlaufen, Referenzen wurden eingeholt und oftmals haben schon konkrete Vertragsverhandlungen stattgefunden. Die Kosten sind bis auf die Kosten für die Vermittler meistens schwer messbar und verbergen sich im Gemeinkostenblock des Unternehmens.
Selbst erfahrene Verantwortliche machen immer wieder den Fehler, dass sie die elementaren Hard Facts ändern oder nicht früh genug klarstellen. Von allen Kriterien, die auf der mentalen Liste eines Kandidaten/einer Kandidatin stehen, stechen immer wieder drei hervor: Berichtslinie, Standort und Gesamtvergütung. Werden diese nicht gleich zu Anfang hinreichend abgeprüft, kommt es im Bewerbungsprozess immer wieder zu Komplikationen. Oft läuft im Hintergrund ein politischer Prozess, was Firmen bereit sind, maximal als Gehalt anzubieten. Auch Meinungsänderungen zu Gehalt und Berichtslinie seitens der Firma während des laufenden Bewerbungsprozesses kommen durchaus vor. Es macht bei der Erstansprache also durchaus Sinn, bzgl. Gehaltserwartung mit der Tür ins Haus zu fallen, um spätere Enttäuschungen zu vermeiden.
Im Bereich Private Equity spielt immer eine weitere Komplikation mit: bestehende Long-Term Incentives. Mögliche Probleme hieraus frühzeitig zu erkennen, ist Aufgabe des Vermittlers, auch wenn er nicht in die Details einbezogen ist.
In einem der nächsten Posts gehen wir darauf ein, was einen solchen Prozess sonst beeinflusst: die ‚unsichtbaren Akteure‘, die mit am Verhandlungstisch sitzen, die Qualität des Prozesses und die Soft Facts der Unternehmenskultur einer Firma, die sich selbst gar nicht so wahrnimmt, wie der Kandidat oder die Kandidatin. Diese Faktoren müssen von PE-Firmen mit eingebunden werden, wenn sie Top Talente gewinnen wollen.